Datum 12.04.2017
Category Allgemein

Hintergrund

Ein 9 1⁄2 Jahre alter Mercedes Kombi 320 T mit einer Laufleistung von rund 123.700 km wurde im Rahmen eines Verkehrsunfalls hinten rechts an der Heckklappe und am Spoiler durch einen Streifstoß beschädigt.

Die Parteien streiten noch über die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf die niedrigeren Stundenverrechnungssätze einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen lassen muss oder ob er auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt erstattet verlangen kann.

Aus dem vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachten ergeben sich unter Zugrundelegung der Verrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt Reparaturkosten in Höhe von 3.546,48 € netto. Die Beklagte legt ihrer Schadenberechnung die günstigeren Reparaturkosten einer freien Fachwerkstatt in Höhe von 2.872,15 € netto zugrunde.

Der Kläger hat sein Fahrzeug seit 2006 nur in markengebundenen Fachwerkstätten reparieren lassen. Inspektionen wurden jedoch über einen Zeitraum von fünf Jahren vor dem Unfall nicht mehr in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchgeführt.

Das AG Hamburg-Bergedorf hatte seiner Entscheidung die niedrigeren Reparaturkosten des Referenzbetriebes zugrunde gelegt. Im Rahmen des durch den Kläger geführten Berufungsverfahrens wurde die Beklagte zur Zahlung der restlichen Netto-Reparaturkosten auf der Grundlage der Verrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt verurteilt.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Aussage

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der erkennende Senat führt aus, dass der Geschädigte, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadenberechnung vorliegen, grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht dann in der Regel ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt.

Allerdings kann der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien“ Fachwerkstatt verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen.

Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien“ Fachwerkstatt für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Aber auch bei Fahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige alternative Reparaturmöglichkeit verweisen zu lassen, wenn das Fahrzeug stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert wurde.

Für die Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es nicht auf die subjektive Sicht des Geschädigten, sondern auf die Sichtweise eines ordentlichen und verständigen Menschen an der Stelle des Geschädigten an. Der Senat kommt daher zu dem Ergebnis, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Frage, ob sich die Verweisung des Klägers auf die „freie“ Fachwerkstatt als unzumutbar darstellt, rechtsfehlerhaft auf dessen subjektive Sicht abgestellt hat. Es hätte aber richtigerweise darauf abstellen müssen, ob es für einen ordentlichen und verständigen Menschen an der Stelle des Geschädigten unzumutbar ist, einen 9 1⁄2 Jahre alten Mercedes Kombi 320 T mit einer Laufleistung von rund 123.700 km, der an der Heckklappe und am Spoiler einen Streifstoß erlitten hatte, in die Referenzwerkstatt zur Reparatur zu geben, die vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.

Im vorliegenden Fall war insbesondere der Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar Reparaturen, jedoch seit Februar 2008 keine „scheckheftrelevanten“ Arbeiten (Inspektionen) mehr in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat durchführen lassen. Hier hatte der Kläger ersichtlich keinen Wert darauf gelegt, dass eine markengebundene Fachwerkstatt sein Fahrzeug regelmäßig wartet.

Vor diesem Hintergrund wird der Umstand, dass sämtliche Reparaturen in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchgeführt wurden, bei einem derart alten und verhältnismäßig leicht beschädigten Fahrzeug nicht derart aufgewogen, dass sich vorliegend die Unzumutbarkeit des Verweises auf eine Reparatur in dem Referenzbetrieb begründen ließe.

Praxis

Der BGH bestätigt die in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze, dass der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen Fachwerkstatt verweisen kann, wenn die Reparatur dort vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und keine sonstigen Unzumutbarkeitsgründe entgegenstehen.

Eine Unzumutbarkeit ist jedoch dann nicht gegeben, wenn das 9 1⁄2 Jahre alte, verhältnismäßig leicht beschädigte Fahrzeug des Geschädigten zwar stets in einer markengebundenen Werkstatt repariert, jedoch seit fünf Jahren nicht mehr in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet wurde.

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